FOTOKISTE 1 bis 4


Fotokiste 1: Von der Redlichkeit

Redlichkeit
Von der Redlichkeit

Beim Nüeschen-Haus am Rande des Rössliplatzes steht auf einer Tafel unter dem Giebel folgender Spruch:

D'redlichkeit wead wohl am längsta gäalta,

nia wead sy abgnützt, ma brucht sy säalta.

Was frei übersetz heisst:

Die Redlichkeit wird wohl am längsten gelten (bestehen bleiben),

nie wird sie abgenützt, man braucht sie ja selten.

EN 2012 


Fotokiste 2: In den Ländern - vor dem Bau des Moby Dick

Ländern Balgach
In den Ländern.

Heute sieht es hier anders aus. Ueberbaut (1995/96) mit dem Moby Dick und im letzten Jahr (2011) erstellten Wohnblöcken zeigt sich die Veränderung einer Landschaft. Die einsame Garage gehörte zum mehrteiligen Gebäudebesitz vom "Kohlenhändler Schmidheiny". Er hatte den Brennmaterialienhandel 1946 käuflich von einem Scheiwiller übernommen. Dieser hatte den Betrieb zwei Jahre vorher aus der Hinterlassenschaft von Alfred Ritz gekauft. Alfred Ritz hatte neben seinem landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Handel von Brennmaterialien begonnen: Schollen (Turben), Holz und Kohlen (Koks). Die Schollen grub er im äusseren Strimäder (dort sind heute die Schrebergärten), der Koks kam per Bahn nach Heerbrugg. Auch wenn man am Heuen war, musste nach Eintreffen des Koks unverzüglich das Abfüllen in 50kg-Säcke erledigt werden. Mit dem Lastwagen transportierte Ritz die Säcke in die Ländern und lagerte sie dort im Kohlenschopf. Kunden mit eigenem Kohlenkeller, wie z.B. die Schulhäuser, wurde der Koks auf der Lastwagenbrücke offen geliefert. Mit speziellen Koksgabeln wurden die schwarzen Kohlenbrocken vom Eisenbahnwagen in den Lastwagen umgeschaufelt. Mit dem Lastwagen besorgte Ritz auch Transporte für Dritte.

„Kohlen Schmidheiny“ führte den Brennstoffhandel weiter. Die in den 50er-Jahren erbauten Einfamilienhäuser und später auch die ersten Wohnblocks waren mit Zentralheizungen ausgerüstet. Schmidheiny musste somit nicht über Arbeitsmangel klagen. Mit seinem Hürlimann-Traktor führte er den mit Kohlensäcken beladenen Brückenwagen zu den Verbrauchern in den neuen Quartieren. Auf- und abladen gaben Durst. Beim Anstossen wünschte er "Prost Reiter". Diese Angewohnheit führte zu seinem Beinamen "Prost Reiter". Weil er keinen Nachfolger hatte und das Erdöl die Kohlen verdrängte, kam die sich an bester Lage befindende Liegenschaft zum Verkauf. Ein paar Jahre nutzte ein Landwirt den Boden. Dann entstanden das Geschäfts- und Wohnhaus Moby Dick und dahinter zwei Wohnblocks. 2011 wurde auch die östliche Liegenschaft mit der dazugehörenden Obstbaumkultur überbaut. 

EN 2012


Fotokiste 3: Frau Metzler flickt Velos

Veloreparatur
Frau Metzler-Bonderer, Veloflickerin / Fotograf: Grünenfelder

Frau Metzler hatte ihre Werkstatt ebenerdig in einem der schmalsten Häuser von Balgach. Zwischen der Raiffeisenkasse und dem Restaurant Bierhalle gibt es eine Gebäudegruppe, deren Häuser eng aneinander stehen. Frau Metzler wirkte im Haus neben der Bank. Ihr konnte man jedes noch so kaputte Velo bringen. In den 60er Jahren waren die Fahrräder noch einfacher gebaut. Wer ein Dreigang-Rad besass, schätzte sich glücklich. Schulkameraden wurden neidisch. Hauptkunden waren aber Leute mit alten Fahrrädern. Sie bremsten das Hinterrad, indem sie die Pedalen rückwärts traten (Rücktritt). Für die schlimmsten Fälle gab es einen Gummikolben, den der Fahrer mittels eines Gestänges auf das Vorderrad presste ("Rossboldera-Schaber"). Zur Stromversorgung diente ein Dynamo, der die vom Vorderrad erzeugte Drehung nutzte. Es gab nur noch wenige Räder, die vorne eine Karbidlampe eingehängt hatten. 1962 kaufte mir mein Vater für den Weg in die Sekundarschule ein neues Velo bei Frau Metzler. Es kostete nur 180 Fr., weil es ein Modell war, das nicht mehr den gestiegenen Ansprüchen genügte.

EN 2012


Fotokiste 4: Ziegelei-Arbeiter 1905

Ziegelei Heerbrugg
Arbeiterschaft in der Ziegelhütte Heerbrugg ca. 1905

1868 kaufte Jacob Schmidheiny Schloss Heerbrugg mit der dazugehörenden Ziegelei. Dank unermüdlichem Einsatz seinerseits und der Arbeiter und der steigenden Nachfrage nach Ziegeleiprodukten für Industrie-bauten gab es Arbeit und Verdienst. Den Lehm grub man in den Höchstern. Etwa 1905, im Todesjahr des Patrons, war für die Arbeiterschaft Fototermin. Denn ein grosser Personalbestand (oder rauchende Fabrikkamine) zeugten von Geschäftserfolg. 

Fast 60 Personen stellen sich dem Fotografen, unter ihnen ein paar junge Kerle. In der obersten Reihe hat ein junger Arbeiter mit Kreide seinen Namen auf einen Dachziegel geschrieben: Bianchi. Der Name deutet auf seine italienische Herkunft hin. Er gehört der grossen Italiener-Kolonie an. Die Fremdarbeiter betätigen sich in der Stickereiindustrie und dem Bausektor (Fabriken, Rheinkorrektion).

Namentlich kennen wir noch einen weiteren Arbeiter: Jakob Sonderegger, geb. 1870, steht in der drittobersten Reihe als Dritter von rechts. Wie die meisten arbeitet er behutet, die Aermel nach hinten gekrempelt und mit einem Brusttuch (Gilet) bekleidet. Nur wenige posieren mit der umgehängten Schürze. Dank Sonderegger (und seinen Nachfahren) gibt es dieses Foto noch. Er liess es einrahmen.

Wie waren wohl die Arbeitsverhältnisse in der Ziegelei? Warm, heiss, schmutzig, staubig, kräftezehrend, ... ?

EN 2012, Original-Foto im Besitz von Hans Nüesch, Mühlacker, Balgach. 2011.